Mit der EU-Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) werden Unternehmen in Europa schrittweise verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen. Kleinere Firmen erhalten noch etwas Aufschub, doch die Pflicht kommt: Ab 2027 müssen insgesamt rund 15.000 Unternehmen nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) berichten.
Was nach einer bürokratischen Pflicht klingt, ist in Wahrheit ein Wendepunkt: Nie zuvor mussten Unternehmen so umfassend, strukturiert und überprüfbar über ihre ökologischen, sozialen und Governance-Leistungen berichten.
Doch: Berichterstattung allein schafft noch keine Nachhaltigkeit. Zahlen, Tabellen und Kennziffern sind nur das Echo eines größeren Ganzen. Echte Nachhaltigkeit entsteht dort, wo Kommunikation nicht nur erfüllt, sondern gestaltet – wo das Berichtspflichtige zur Haltung wird, das Notwendige zum Narrativ.
Die Berichtspflicht zwingt Unternehmen, ihr Handeln zu messen, zu dokumentieren und zu belegen. Sie eröffnet damit eine Chance: Wer sein Tun so tiefgehend analysiert, erhält einen Spiegel – und zugleich einen Rohstoff für glaubwürdige Kommunikation. Die Daten, die bisher in Tabellen schlummerten, werden zu Geschichten, die zeigen, wie sich ein Unternehmen der Zukunftsfähigkeit stellt.
Das gelingt nur, wenn Nachhaltigkeit nicht als Pflichtaufgabe, sondern als Teil der Unternehmensidentität verstanden wird. Wenn sie vom Rande des ESG-Berichts in den Kern der Marke wandert. Nachhaltigkeit wird dann zum Sinngeber, nicht zum Feigenblatt – zu einem Katalysator, der Markenprofil, Mitarbeiterstolz und gesellschaftliche Relevanz verbindet.
Berichterstattung allein schafft noch keine Nachhaltigkeit. Zahlen, Tabellen und Kennziffern sind nur das Echo eines größeren Ganzen.
Um Nachhaltigkeitsberichte erstellen zu können, müssen bislang getrennte Informationsströme – aus Finanzen, HR, Umweltmanagement, Beschaffung, Produktion und Marketing – miteinander verknüpft werden. Das kann, richtig genutzt, ein Schatz sein: Plötzlich liegen Kennzahlen und Wirkungsindikatoren vor, die nicht nur für Prüfer, sondern auch für Kommunikation und Markenführung relevant sind.
Doch in vielen Organisationen kommunizieren diese Abteilungen nicht miteinander. Die Forschung bestätigt, was Praktiker täglich erleben: Interne Silos bremsen die Nachhaltigkeitskommunikation aus. Eine Studie der RWTH Aachen (Offermann et al., 2023) zeigte, dass fehlende Abstimmung zwischen verschiedenen Abteilungen zu Unzufriedenheit, Überforderung und Glaubwürdigkeitsverlust führt. Ähnliche Ergebnisse finden sich bei Strottner & Huck-Sandhu (2022): Nur wenn interne Kommunikation und Wertearbeit Hand in Hand gehen, kann Nachhaltigkeit wirklich in die Organisation hineinwirken. Auch eine Benchmark-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (2023) belegt: Glaubwürdige externe Kommunikation beginnt im Inneren. Mitarbeitende, die informiert und überzeugt sind, tragen Nachhaltigkeitsziele authentisch nach außen.
Die Daten, die bisher in Tabellen schlummerten, werden zu Geschichten, die zeigen, wie sich ein Unternehmen der Zukunftsfähigkeit stellt.
Gerade im Übergang von der Berichtspflicht zur aktiven Kommunikation zeigt sich leider in vielen Unternehmen ein altbekanntes Muster: Das Finanzwesen liefert Zahlen, die Nachhaltigkeitsabteilung sammelt Maßnahmen, das Marketing formt Botschaften – doch oft geschieht das nebeneinander statt miteinander. Kommunikationsforscher wie Zerfaß und Bruhn (2004/2006) haben bereits vor Jahren vor dieser Fragmentierung gewarnt. Ohne integrative Strukturen entstehen Widersprüche: Während die Finanzabteilung nüchtern von Risiken berichtet, inszeniert das Marketing ambitionierte Zukunftsversprechen. Das Ergebnis ist eine Kommunikation, die nicht konsistent klingt – und damit an Glaubwürdigkeit verliert. Das sehen wir alle täglich auf LinkedIn.
Eine empirische Studie von Kleinfeld & Schnurr (2021) unterstreicht: Interne Kommunikation spielt eine zentrale Rolle bei der Etablierung neuer Nachhaltigkeitsstrategien. Nur wenn Abteilungen im Dialog stehen und gemeinsame Narrative entwickeln, kann Nachhaltigkeit im Unternehmen verankert und glaubwürdig nach außen getragen werden. Nachhaltigkeitskommunikation ist kein Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess – ein Dialog zwischen Abteilungen, Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit.
Die Pflicht zur Offenlegung kann zum Motor für Transformation werden.
Denn wer gezwungen ist, Daten systematisch zu erheben, erkennt schnell, dass sie auch für Strategie und Storytelling nutzbar sind.
Die Pflicht zur Offenlegung kann zum Motor für Transformation werden. Denn wer gezwungen ist, Daten systematisch zu erheben, erkennt schnell, dass sie auch für Strategie und Storytelling nutzbar sind.
Wo früher bloß Kennzahlen standen, entsteht heute narrative Tiefe:
So wandelt sich Nachhaltigkeitskommunikation von Compliance zu Kultur – von reaktiv zu proaktiv, als Gestaltungsinstrument, das Identität stiftet und Vertrauen schafft.
Nur wenn interne Kommunikation und Wertearbeit Hand in Hand gehen, kann Nachhaltigkeit wirklich in die Organisation hineinwirken.
Zukunftsfähigkeit ist keine Disziplin, sie ist eine Haltung. Und Haltung lässt sich nicht delegieren.
Die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung schafft eine neue Form der Verbindlichkeit – und eine belastbare Beweislage. Unternehmen, die diese Basis nutzen, können Nachhaltigkeit künftig objektiv und überprüfbar kommunizieren: nicht behaupten, sondern belegen. Doch Zahlen allein erzeugen keine Wirkung. Wirkung entsteht, wenn diese Daten Teil einer gemeinsamen Sprache werden – wenn Kommunikation nicht nur berichtet, sondern Bedeutung stiftet.
Der Weg dorthin führt über Perspektivwechsel: Weg von Abteilungen, die nebeneinander arbeiten, hin zu Organisationen, die miteinander Sinn schaffen. So wird aus der Pflicht zur Offenlegung die Chance zur Offenheit – und aus Berichterstattung Kommunikation für Nachhal(l)tigkeit.
Ziel der EU-Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist es, Nachhaltigkeitsinformationen transparenter, vergleichbarer und verlässlicher zu machen – mit der gleichen Relevanz wie Finanzdaten.
So sollen Kapitalmärkte Nachhaltigkeit belohnen und Greenwashing erschwert werden. Die Richtlinie verlangt, offenzulegen, wie Unternehmen Umwelt und Gesellschaft beeinflussen – und umgekehrt, wie Nachhaltigkeitsrisiken ihr Geschäftsmodell prägen. Damit soll verantwortungsbewusstes und zukunftsfähiges Wirtschaften gefördert werden.
Kurzvorstellung Autor Fabian Baumheuer
Gründungsmitglied von Superpeers eG. IR- und ESG-Kommunikationsberatung. Fabian konzipiert und schreibt unter anderem seit einigen Jahrzehnten Geschäftsberichte und seit 2017 auch Nachhaltigkeitsberichte. Er ist immer wieder begeistert über die tollen, Mut machenden Geschichten, die Unternehmen in Sachen ESG zu erzählen haben – und wundert sich, warum sie viel tun und dann doch nichts über ihr Engagement berichten.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Brevo. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen